Mirko Tobias Schäfer / Assistant Professor
University of Utrecht Department for Media and Culture Studies

Was wissen Medien?

MTS: Wer  ist  hier Designer?

Innovation, als Resultat der Aneignung von Medientechnologie

Mit der Xbox stieg Microsoft 2001 in den Markt für Spielkonsolen ein. Das Produkt des Softwaregiganten wurde rasch zum Objekt von Hackern, die das ursprüngliche Design der Xbox veränderten und zahlreiche Applikationen entwickelten, die vom Produzenten nicht vorgesehen waren. Viele dieser Applikationen wurden von Microsoft in das neue Design der Xbox 360 aufgenommen. Anhand der Xbox und ihrer Aneignung durch Konsumenten kann nicht nur überzeugend dargestellt werden, wie User Medientechnologie aneignen und verändern, sondern auch wie Unternehmen, die von Usern entwickelten Innovationen in die weitere Design-Entwicklung implementieren. Aus der dynamischen Interaktion, der zufälligen und manchmal unbeabsichtigten kollektiven Entwicklungsarbeit von Anwendern und Unternehmen, eröffnen sich neue Perspektiven zur Analyse und Theoretisierung von Medienkultur. Der Beitrag theoretisiert die Konstruktion von Medientechnologie durch Appropriation und Design. Die explizit gewordene Teilnahme von Amateuren an Produktionsprozessen wird als Ausweitung der Kulturindustrie definiert. Hier entstehen nicht nur neue Konstellationen von User-Produzenten-Interaktionen, sondern hybride Formationen von Medienpraxis und Informationstechnologie. Das von Anwendern entwickelte Wissen ist gleichermaßen in die Modifikation von Medientechnologie als auch in das vom kommerziellen Produzenten entwickelte Design eingeschrieben.

Martina Roepke:›Doing History‹: Historisches Wissen  im
cross-media Projekt In Europa

Im Winter 2007 lancierte der Niederländische Fernsehsender VPRO die multimediale Plattform In Europa nach dem gleichnamigen Beststeller von Geert Mak. Die wöchentliche Ausstrahlung eines Fernsehprogramms, Podcasts und Archivmaterial auf der Website sowie ein umfangsreiches

Veranstaltungsprogramm luden zu verschiedenen Formen der Partizipation ein - ›participatie totaal‹, wie die Redaktion versprach. Dieser Beitrag beschreibt die redaktionellen Strategien, Quellenmaterial
zu erschließen und Zuschauer zur aktiven Mitarbeit an diesem Projekt anzuregen, sowie die unterschiedlichen Zugänge verschiedener ›User‹ (Fans, Experten, Dilettanten, Augenzeugen). Als Merkmal dieses cross-medialen Projektes wird der Konflikt, der im partizipativen Raum zwischen verschiedenen Wissenskulturen entsteht, herausgearbeitet. Dabei kommen nicht nur unterschiedliche Qualitäten von historischem Wissen, sondern auch unterschiedliche Kommunikationsstile der beteiligten Akteure zur Sprache. ›Doing History‹ erweist sich hier als Geschichts-›Schreibung‹ im Trial and error-Verfahren, das die Konventionen traditioneller Geschichtsschreibung und -vermittlung zur  Diskussion stellt.

Eggo Müller: Die Ästhetische Erziehung des YouTube-Ama-
teurs.

Konventionen des Online Video Sharing in Handbüchern und auf Websites

»Any amateur can record a clip. Follow these steps to look like a pro«, verkündet das Magazin Wired auf seiner Website und erklärt in wenigen Punkten den Weg zum Erfolg auf YouTube und anderen für »jedermann « zugänglichen Videoplattformen. Doch das Gros der mittlerweile über 80 Millionen (April 2008) Videos, die auf YouTube zugänglich sind, zeigt, dass der Schritt vom unambitionierten User zum Profi nicht einfach zu nehmen ist oder aber dass dieser für die meisten User schlicht kein Ziel darstellt. Nicht nur im medienpädagogischen Zusammenhang der Erziehung zur »Media Literacy«, sondern auch im Kontext des populären Gebrauchs von YouTube und anderen offenen Videoplattformen ergibt sich daher die erzieherische Aufgabe, den »YouTube-Amateuren« ein gewisses produktionspraktisches Wissen zu vermitteln sowie ihnen gewisse ästhetische Normen nahe zu bringen. Dieser Beitrag untersucht, wie die Handbücher (YouTube 4 You, 2007; YouTube for Dummies, 2008), Online-Tutorials sowie Wettbewerbe und Diskussionen auf YouTube selbst auf filmästhetische Konventionen zurückgreifen, diese implizit oder explizit diskutieren und zu Normen der Produktion und kritischen Rezeption erklären. Im Gegensatz zu klassischen Amateurkulturen (Musik, Theater, Film, Musik), die sich selbstverständlich an professionellen Standards ausrichten, ergibt sich für das Online Video
Sharing ein charakteristischer Zielkonflikt zwischen ästhetischer Normativität einerseits und dem Anspruch prinzipieller Offenheit der partizipatorischen Kultur andererseits.

Ann-Sophie Lehmann: How  to You Tube.

Aneignung  und Repräsentation  kreativer Prozesse als Performanz  von  tacit knowledge 

Bei den YouTube Video Awards 2007, deren Gewinner vor zwei Wochen bekannt gegeben wurden, gibt es 12 Kategorien. Eine davon ist die Sparte der “instructional” Videos, die Wissen über alles ermitteln, das sich in irgendeiner Form visuell darstellen lässt (nominiert wurde z.B. How to Charge an iPod using electrolytes and an onion from: Household Hacker). Während das how-to traditionell zum intellektuellen Kapital der Experten gerechnet wird, vermitteln die instructional videos Wissen nach dem grassroots Prinzip von jedem und für jeden. In diesem Beitrag werden die visuellen Strategien des Amateur how-to in verschiedenen Genres untersucht: dem handwerklichen how-to, dem Medien how-to und dem kreativen how-to; wird der virtuelle Wissensraum (Pierre Levy) hinterfragt, den diese Videos möglicherweise generieren, und den Strategien der Amateure nachgespürt, die über freiwilligen
Wettbewerb (wer kann Wissen am überzeugendsten und schönsten darstellen?) neue edu cative und ästhetische Formen der Wissensvermittlung keieren.

Date October 2008 Category News

The annual conference of the German association for media studies (Gesellschaft für Medienwissenschaft) hosts a panel with scholars from Utrecht University. Ann-Sophie Lehmann, Eggo Müller, Martina Roepke and MTS present four papers on amateurs and media practice.
"Hands On. Das wertvolle Wissen der Amateure. Kollaboration, Konvention und Tacit Knowledge in den digitalen Medien."  This panel presents concepts for analysing media practice without following the moral framework that usually celebrates enthusiastically the alleged user participation as revolutionary change in cultural production. User activities are analysed in context of social interaction, power relations, and hands-on skills as well as the role of shaping and sharing knowledge of technology. Using case examples from P2P file sharing, Flickr and YouTube, the four presentations discuss user activities as practice of design appropriation and as implementation into commercial applications.

Jahrestagung 2008, "Was wissen Medien?", October 2-4 2008, Institute for Media Studies, Ruhr-Universität Bochum. Gesellschaft für Medienwissenschaft

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